SONDAR Netzwerk erweitert Kontakte in die rumänische Dobrutscha

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Vom 3. bis 10. Mai fand eine Fachexkursion zu Bodenschutz und Bodenbewusstsein in die rumänische Region Dobrutscha mit den beiden Verwaltungseinheiten Tulcea und Constanta statt. Entwicklungen, die wir heute in Niederösterreich beklagen, etwa die Versiegelung städtischer oder stadtnaher Flächen mit der Inaktivierung biologischer Prozesse im Boden oder die Entleerung peripherer Gebiete und die Vernachlässigung der Bodennutzung finden in den ehemals kommunistischen Ländern von Südosteuropa wesentlich schneller statt. Eine Entwicklung hin zu modernen Lebensbedingungen, die in Niederösterreich vielleicht sechzig Jahre gedauert hat, ist in der Dobrutscha viel schneller abgelaufen, etwa in zwanzig Jahren. Die Änderungen im Gemeinschaftssystem sind gravierender. Die Bevölkerung konnte nur teilweise - und in erster Linie in den Städten - vom Beitritt zur EU profitieren. Speziell die Jugend nimmt die Möglichkeiten von verbesserten Arbeitsbedingungen im europäischen Ausland wahr. So hat Rumänien seit 2001 fünf Prozent seiner Bevölkerung verloren (http://epp.eurostat.ec.europa.eu/). Die lokale Abwanderung in die Regionszentren ist bedeutend und speziell strukturschwache Dörfer stehen vor dem Aus.


Ein besonderes Beispiel diese Entwicklung zu belegen ist hier das rumänische Donaudelta. Während im Kommunismus ein hoher Beschäftigungsgrad erreicht wurde, ist heute die überwiegende Zahl der verbliebenen Bevölkerung von Transferleistungen abhängig. Die Exkursionsgruppe nahm einen Lokalaugenschein im Dorf Sfistofca vor, welches durch die russische Volksgruppe der Lipovaner bewohnt wird, einem Dorf, welches nach dem zweiten Weltkrieg von über 1000 Leuten bewohnt war, heute jedoch nur mehr 78 Einwohner zählt. Innerhalb von zwei Generationen hat sich das Leben marginalisiert, jeder weitere Abgang gefährdet die Aufrechterhaltung des Dorflebens. Die Besuchergruppe war begünstigt, denn sie konnte am Osterfest der russischen Altgläubigen, oder Lipovaner teilnehmen, die gerade ihre Verwandten zu Besuch hatten. Viele der Abkömmlinge des Dorfes haben jedoch die russische Sprache vergessen und sind zur rumänisch orthodoxen Kirche konvertiert. Das jahrhundertelange Erbe mit speziellen Riten und die gepflegten Traditionen werden bald verschwunden sein. Eine Situation, die sich vielfach im Donauraum wiederholt. Während es im Donaudelta Artenschutz für bedrohte Tierarten gibt, konnten noch keine Programme für die Vielfalt der Lebensformen in zahlreichen Ethnien entwickelt werden. Als Zeichen der Verbundenheit mit dem Dorf Sfistofca wurde im Haus des lokal ansässigen Künstlers ein Malkasten mit Bodenfarben aus Niederösterreich überreicht. Es wurde die Hoffnung ausgedrückt, dass ein zukünftiger Malkasten mit Bodenfarben des Donauraums, auch die Farbe des sandigen Bodens von Sfistofca beinhalten wird.


Das Region Tulcea ist aus Sicht des Bodenschutzes aus zweifacher Hinsicht interessant: einerseits befinden sich hier die ältesten Böden Europas, das Macin Gebirge, ein Teil der Herzinischen Kette, ist geologisch wesentlich älter als Alpen und Karpaten und wurde hier in Jahrmillionen auf gegenwärtig 300m abgetragen. Andererseits befinden sich hier die jüngsten Böden Europas, jene des Donaudeltas, welches erst seit 10.000 Jahren entsteht, und weiter wächst. Die Gemeinde Nufaru in der Nähe des Regionszentrum Tulcea darf sich glücklich schätzen, zwei Gruppen von Böden, besonders junge und speziell alte Böden auf seinem Gemeindegebiet anzutreffen. Das europäische SONDAR Netzwerk und ein niederösterreichischer Malkasten mit Bodenfarben tragen jetzt dazu bei, dass sich die Schulkinder der Gemeinde Nufaru, verstärkt mit Bodenbewusstsein beschäftigen. Gerne würden sie sich auch intensiver dem Thema zuwenden und wie dies in Südmähren, Westslowakei, Westungarn und Niederösterreich bereits geschehen ist, eigene Bodenfarben aus ihrer Heimat erzeugen. Die Möglichkeit besteht, denn die Gemeinde Nufaru ist ein Vorreiter in Bodenschutz und ist bereits 2012 dem europäischem Bodenbündnis ELSA als erstes rumänisches Mitglied beigetreten. Bürgermeister Danila Ion hat das bereits durch seinen Vorgänger Gavrila Tincu gezeigte Interesse bestätigt und will künftige Projekte unterstützen.


Als einzigartige und praktisch einzige Möglichkeit der Entwicklung bietet sich im Donaudelta der Tourismus an. Die Artenvielfalt der Landschaft, die Wechselspiele zwischen Land und Wasser, sowie der Reichtum an natürlichen Ressourcen des Donaudeltas sind seit langem bekannt und in Europa unübertroffen. Die Administration des Donaudelta mit Sitz in Tulcea überwacht die Einhaltung der Naturschutzbestimmungen in einem Gebiet von 3446 km² im rumänischen Teil des Donaudelta Biosphärenpark. Insgesamt beträgt die Fläche des Naturschutzgebiets 4.178 km², doch 732 km² befinden sich in der Ukraine und außerhalb der EU. Über das Wie der Entwicklung kann diskutiert werden. Denn die EU fördert vor allem große Anlagen, wie etwa den jüngst fertiggestellten Komplex Puflene in Murighol, der relativ leicht erreichbar ist, und ausreichend Luxus bietet, während Orte wie Sfistofca keine oder nur eine rudimentäre Anbindung an das öffentliche Verkehrsnetz haben. Die Biosphärenverwaltung wird vielfach durch das Donaudeltainstitut, ein mit Exzellenz ausgezeichnetes europäisches Forschungsinstitut, durch wissenschaftliche Expertisen unterstützt. Die Exkursionsteilnehmer wurden über aktuelle Projekte im Hochwasserschutz durch die Forschungsgruppe Raumplanung, Fr. Iuliana Nichersu und Kolleginnen und Kollegen, informiert. Die Initiative SONDAR, das Bodenschutznetzwerk im Donauraum, wurde von den relevanten Institutionen der Region Tulcea und des Donaudeltas sehr positiv aufgenommen. Es besteht durchaus der Wunsch in einen vertieften Austausch Niederösterreich - Tulcea einzutreten und im Rahmen der ARGE Donauländer gemeinsame Ziele der Donauraumstrategie im Bereich Bodenschutz zu verfolgen.

Den Abschluss der Exkursion bildete der Besuch an der Ovidius Universität Constanta. Prof. Florin Aonofriesei, ein Mikrobiologe, der auch ein Lehrbuch über Mikroorganismen des Bodens verfasst hat, und auch bei einer Konferenz der ARGE Donauländer in St. Pölten 2011 mitgewirkt hat, führte uns durch den neuen Campus der Universität. Bei Bedarf stehen diese Räumlichkeiten auch dem SONDAR Netzwerk zur Verfügung.


Das Feedback zur Exkursion war positiv. Es besteht der Wunsch nach einer vertieften Kooperation und nach einer Intensivierung des Austausches auf verschiedenen Ebenen, der Verwaltungsebene, der praktischen Projektdurchführung und des wissenschaftlichen Austausches. Wir hoffen in den kommenden Jahren diesen Wunsch nachzukommen.

 

Meinhard Breiling, BIENE-Netzwerk

 

Fotos © Meinhard Breiling